Die Klassenlehrerzeit

In den ersten Schuljahren, in denen die eigene Urteilskraft der Schüler erst heranreift, ist "bildhafter" Unterricht ein wesentliches Unterrichtsprinzip. Die Tatsachen werden so behandelt, dass die Schüler*innen zusammen mit dem Anschaulichen auch das Gesetzmäßige und Wesenhafte der Dinge im Sinne echter Bilder verstehen und erleben lernen.
Der Schulvormittag beginnt immer mit dem so genannten Hauptunterricht, der von den Klassenlehrer*innen während der ersten Doppelstunde erteilt wird. Gelernt wird in Epochen, während derer ein Fach über mehrere Wochen den täglichen Schwerpunkt der Arbeit bildet. Den gelernten Stoff fassen die Kinder in individuell gestalteten Lehrbüchern – ihren "Epochenheften" – zusammen.
Im Fachunterricht wechseln sich praktisches Tun (Handarbeit, Spielturnen) und künstlerische Bewegung in der Eurythmie, im Malen, Singen und Musizieren sowie von der ersten Klasse an das Üben der Fremdsprachen ab.
In der ersten Klasse beinhalten die Epochen des Hauptunterrichts primär Lesen, Schreiben, Rechnen und das Formenzeichnen. Von Klassenstufe zu Klassenstufe werden weitere Epochen hinzugefügt und ausgestaltet. Von der in der vierten Klasse einsetzenden Heimatkunde geht es in der fünften Klasse weiter zur Geographie Deutschlands, dann Europas und in der siebten und achten Klasse schließlich zu einer ersten Gesamtschau der völkerkundlichen und geographischen Differenzierung der ganzen Erde. Die Naturwissenschaften entwickeln sich von der ersten Menschen- und Tierkunde in der vierten Klasse über die Pflanzen- und Gesteinskunde bis zur Ernährungslehre und Astronomie im siebten und zur Anatomie im achten Schuljahr. Im sechsten Schuljahr beginnt die Physik, im siebten die Chemie.
Im fünften Schuljahr findet der Übergang von der Mythologie, die im Erzählstoff der Unterstufe eine wichtige Rolle spielt, zum eigentlichen Geschichtsunterricht statt. Bis zur achten Klasse wird in exemplarischen Erzählungen ein Bogen von der Urgeschichte bis in die Gegenwart gespannt. Oft werden geschichtliche Zusammenhänge durch das Erzählen von Biographien erlebbar gemacht. Mit jedem neuen Schuljahr erweitert sich der Horizont der im Unterricht behandelten Stoffgebiete, bis am Ende der achten Klasse die ganze Welt in das Blickfeld der jungen Menschen gerückt ist. Der Prozess, durch den eine neue Erkenntnis gewonnen wird, ist auch für das "Lernen-lernen" in der Mittelstufe genauso wichtig wie das erinnerbare Ergebnis, das dabei errungen wird.
Die Mittelstufenzeit kulminiert im 8. Schuljahr in drei besonderen Ereignissen: Die Klasse erarbeitet ein großes Theaterstück, jede Schülerin und jeder Schüler liefert eine individuelle "Jahresarbeit" ab und stellt sie vor großem Publikum dar, und schließlich unternimmt die Klasse eine große Klassenfahrt, die oft zugleich den Abschluss ihrer Klassenlehrerzeit markiert.

Die einzelnen Klassenstufen

1. Klasse

Mit sieben Jahren erlebt das Kind alles – sich und seine Umwelt – noch als Einheit. Die Trennung zwischen dem Ich und der Welt hat noch nicht stattgefunden. Dieses Gesamtbewusstsein ist viel farbiger, phantasievoller und beweglicher als beim Erwachsenen. Es entspricht daher dem Kind, wenn alles Unterrichtsgeschehen eine zusammenhängende Einheit bildet.
Die Bilderwelt der Märchen gibt diesen zusammenfassenden Hintergrund, vor dem sich die  Inhalte entfalten: Schreiben und Rechnen, Sprachunterricht in Englisch und Französisch, Malen und Musizieren, Eurythmie und Spielturnen, Stricken und Basteln.
Unser „Mannheimer Modell“ besagt, dass der Klassenlehrer seine Klasse im ersten Schuljahr in allen Fachunterrichten begleitet. Nach den 2 Fachstunden hat die Klasse noch ca. 30 Minuten Unterricht bei ihrem Klassenlehrer.
Um eine bestmögliche Förderung zu ermöglichen werden alle Schüler*innen im Laufe des ersten Schuljahres durch den Therapiekreis im Unterricht wahrgenommen und anschließend besprochen.

2. Klasse

In allen Fächern wird künstlerisch, praktisch und bewegungsweise den wachsenden Fähigkeiten des Kindes Rechnung getragen. Im Schreiben wird der Übergang zur Schreibschrift angelegt, die Lesefähigkeit schult sich im Umgang mit dem ersten Lesebuch. Im Rechnen werden die 1x1 Reihen für einen größeren Zahlenraum (12 x 12) aufgebaut und alle vier Rechenoperationen in diesem Zahlenraum geübt.
Rahmen gebend sind in der 2. Klasse Fabeln sowie Geschichten und Legenden aus dem Leben der Heiligen. Dabei erleben die Kinder deren Furchtlosigkeit und Gottverbundenheit durch die starke Kraft der Liebe und des Mitleids. Diesen Bildern menschlicher Vollkommenheit stehen die Tiergestalten aus den Fabeln gegenüber, wo Einseitigkeiten humorvoll aufblitzen.

3. Klasse

Zwischen dem 9. und 10. Lebensjahr erlebt das Kind die Trennung der bislang erlebten Einheit von Individuum und der umgebenden Welt.
Als Hilfe in dieser oft auch als Krise erlebten Zeit werden die Geschichten des Alten Testamentes betrachtet, in deren starken Bildern das Kind seine eigenen Entwicklungsschritte gespiegelt sieht. Auf der anderen Seite wird das Kind bis in die praktische Betätigung hinein mit drei Urbedürfnissen des Menschen vertraut gemacht: Ernährung, Kleidung und Wohnen. Es lernt die Arbeit der verschiedenen Handwerke, des Bauern, des Müllers, des Bäckers, des Maurers, des Schreiners, des Schneiders und andere kennen.
Das Rechnen nimmt jetzt Bezug auf die Dinge des praktischen Lebens; Maße und Gewichte werden eingeführt.
Eine erste Sprachlehre (Grammatik) schafft größere Bewusstheit im Umgang mit dem mündlichen und schriftlichen Ausdruck. Der Fremdsprachenunterricht wird durch Rollenspiele und kleine Dialoge fortgeführt, durch die Wortschatz und Ausdrucksfähigkeit insgesamt gefördert werden.

4. Klasse

Der Entwicklungsprozess im Bewusstsein der Kinder (Trennung von Ichbewusstsein und Umwelt) führt zu einem wachsenden Interesse an der Umwelt. Neue Fächer wie zum Beispiel Heimatkunde sowie Tier- und Menschenkunde tragen diesem Umstand Rechnung. Im Fremdsprachenunterricht werden das Schreiben und Lesen, sowie erste grammatikalische Übungen eingeführt. Im Sportunterricht wird mit Geräten gearbeitet.

5. Klasse

Die Entwicklung der Kinder ermöglicht in diesem Alter den ersten Umgang mit geschichtlichen Begriffen. In charakteristischen Bildern wird das Wesentliche der altindischen, der urpersischen, der ägyptisch-chaldäischen und der griechischen Kulturepochen zum Erleben gebracht. Das Kennenlernen der griechischen Sprache und Schrift vertieft diese Begegnung mit der geschichtlichen Vergangenheit.
Die Heimatkunde wird zur eigentlichen Geographie. Bodenkonfigurationen und wirtschaftliche Verhältnisse der Erde (mit dem Fokus auf Europa) werden besprochen. In der Naturkunde behandelt man die Pflanzen im Zusammenhang mit der Bodenbeschaffenheit auf denen sie wachsen (Wald, Wiese, Sumpf, Gebirge).
Ab der 5. Klasse findet jedes Jahr eine Klassenfahrt statt zudem finden regelmäßig mit allen Schüler*innen einmal im Jahr sogenannte Lernbegleitungsgespräche statt.

6. Klasse

Mit der Vollendung des 12. Lebensjahres überschreitet das Kind eine auffallende Schwelle in seiner Entwicklung. Ein neuer Wachstumsschub kündigt sich an, Sehnen- und Knochensystem prägen sich stärker aus, die typisch kindlichen Bewegungen verschwinden, das intellektuelle Bewusstsein erwacht. Diesem Umstand wird besonders im naturwissenschaftlichen Unterricht Rechnung getragen. In der Naturkunde werden Minerale und Gesteine besprochen und im Zusammenhang mit der Geographie betrachtet. Von der Länderkunde geht man über zur Himmelskunde, zur Astronomie. Der erste Physikunterricht macht die Schüler*innen mit den elementaren Phänomenen der Akustik, Optik, Wärmelehre, Elektrizität und dem Magnetismus vertraut. Die Geschichte der Römer und die Nachwirkungen der griechisch-römischen Kultur bis in das späte Mittelalter werden behandelt, begleitet vom Sprechen und Schreiben lateinischer Texte.
In der Mathematik beginnt mit der Zins- und Prozentrechnung der Übergang zur abstrakten Algebra.

7. Klasse

In der 7. Klasse steigt das Interesse der Schüler*innen für naturwissenschaftliche Inhalte. In der ersten Chemieepoche werden, von der Verbrennung und Salzbildung ausgehend, die Grundlagen der Chemie erarbeitet. Auch die physikalischen Kenntnisse werden vertieft und wichtige Grundbegriffe der Mechanik wie Hebel und Flaschenzug betrachtet. Im Fokus des Naturkundeunterrichts stehen die Ernährung und die Bedingungen von Gesundheit und Krankheit des Menschen.
Die Geschichte wird weitergeführt bis zum Beginn der Neuzeit. Themen der Mathematik sind das Potenzieren, Radizieren und die Lehre von den Gleichungen. Die in der 6. Klasse begonnene Geometrie wird bis zum Pythagoräischen Lehrsatz fortgeführt.
Im 7. Schuljahr findet das 2/3-wöchige Forstpraktikum statt und die Schüler*innen müssen eine größere Präsentation vorzubereiten.

8. Klasse

In der 8. Klasse wird vieles zu einem vorläufigen Abschluss gebracht. Die Klasse führt ein Theaterstück auf und jede*r Schüler*in erarbeitet eine Jahresarbeit mit einem selbst gewählten Thema, erstellt eine Mappe und präsentiert sie vor der Öffentlichkeit.
Der Geschichtsunterricht wird in großen Zügen bis zur Gegenwart fortgeführt. Besondere Berücksichtigung findet die Kulturgeschichte.
In der Naturkunde (Biologie) kehrt der Unterricht zum Ausgangspunkt der 4. Klasse zurück und betrachtet den Menschen nun im Zusammenhang der Naturgesetze.
Die Physik widmet sich den Themen der Optik, Hydraulik, Aerodynamik sowie Dampfmaschine und Verbrennungsmotor und der Chemieunterricht beinhaltet Substanzen wie Stärke, Zucker, Eiweiß und Fette im Zusammenhang mit der Ernährung des Menschen.
Sowohl Rechnen als auch Algebra werden in vielseitiger Anwendung geübt und die Geometrie führt bis zur Flächen- und Körperberechnung geometrischer Figuren.
Der Deutschunterricht sucht Verständnis zu wecken für epische und dramatische Darstellungen. Goethe, Schiller und ihre Zeitgenossen werden eingehend besprochen.